Übung macht den Meister – aber wie viel?

Klar, Übung macht den Meister. Aber wie viel Übung du brauchst, ist keine leichte Frage. Im Coaching verfolgen wir den Ansatz, dass der Coachee (der die Hilfe beim Coach gesucht hat) selbst entscheidet, was und wie viel er wann und wo tut. Denn letztlich weiß das niemand besser als der Coachee selbst.

 

Was der Coach tut? Er gibt Anregungen, stellt Fragen, zeigt Wege auf, die der Coachee gehen könnte, macht Vorschläge, das eine oder das andere auszuprobieren.

 
Keine Patentrezepte

 

Denn Patentrezepte gibt es nicht. Letztlich kennt das jeder aus der Schule. Natürlich mussten wir alle dort lernen, aber schon da nicht alle auf dieselbe Weise, nicht gleichzeitig wirklich denselben Stoff – sondern mit unterschiedlichen Schwerpunkten und Ergebnissen. Eigentlich wäre es ideal, wenn jeder Mensch seinen Privatlehrer hätte, der ihm dann dabei zur Seite steht, wenn es für ihn dran ist: eine Art Mentor, ein Obi-Wan Kenobi für die Familie Skywalker in Star Wars…

„Ich mache immer 5 Prozent mehr, als der Arzt verlangt“, sagte mir ein 80-jähriger Patient, der gerade mit einem Schlaganfall in den Rollstuhl gekommen war. „50 Prozent wären utopisch, das schafft ja niemand. Aber 5 Prozent, vielleicht auch mal 10 … Und dann, wie mit Zins und Zinseszins: So wird es immer mehr.“ Er war Volkswirt und wusste, wovon er sprach. Statt 20 Hand-Übungen machte er 21 oder 22: aber nicht gleich 30 – und keine 10! Dann, „mit Zins und Zinseszins“, schaffte er es aus dem Rollstuhl raus. Vielleicht hatte er Glück: wohl kein schwerer Schlaganfall. Doch seine Einstellung war die beste, die ich kenne.

 

Coaching – nur eine Weile

 

Coaching ist nicht auf Dauer angelegt. Im Durchschnitt kommen Klienten (nach dem unverbindlichen Kennenlernen) zu 2-4 Sitzungen zu uns. Coaching ist eine Begleitung durch eine Zeit der Krisen, der temporären Schwierigkeiten, vielleicht auch der Weichenstellungen oder Entscheidungen, der Suche nach Wegen, Zieldefinitionen, Klärungen – oder einfach des Dazulernens. Niemand „braucht“ einen Coach, könnte man sagen: Aber es geht meist leichter oder schneller.

 

Coaching triggert


Coaching löst etwas aus, leitet etwas ein, ruft etwas ab, steuert etwas an: Der Coach hat Erfahrung, Empathie und eine gewisse Expertise: Wissen und Analytik, um dich und deine Situationen sowohl mit den Sinnen als auch mit dem Verstand verstehen zu können. Aber die Entscheidungen triffst du selbst. Coaching ist also von der ersten Minute an darauf programmiert, dass du möglichst schnell und möglichst gut wieder ohne Coach auskommst.

 

Dieses „etwas“, was ausgelöst, abgerufen, eingeleitet oder angesteuert wird – das ist in jedem schon vorhanden: vielleicht noch unklar, ungewiss, verdeckt oder zeitweise verschüttet. Aber es ist da. Das gilt sogar für die Frage, wie viel Übung du brauchst. Vielleicht muss es sich einpendeln, vielleicht kann dein Coach dabei assistieren. Aber mehr und mehr findest du die eigene Antwort. Das ist unser Lebens- und Menschenbild, und davon lassen wir uns nicht abbringen. Es ist unsere Erfahrung.

 

Hermann Richter