Furcht vs. Angst

„Fürchte dich nicht!“ Fast niemand, der solchen Satz nicht kennt. Doch er meint nicht, dass man keine Angst haben solle – die Frage ist, wie man mit ihr umgeht. Gut gelingt das nur, wenn man die Zusammenhänge kennt. Das ist notwendig. Denn Angst kann zerstören – aber auch retten.

 

Angst ist etwas anderes als Furcht. Der Umgang mit beiden macht niemandem Spaß. Deshalb ist er im öffentlichen Leben kaum präsent. Er sollte es aber sein.

 
Angst als Impuls

 

Angst sei ein Gefühl, hört man oft. Doch unser Verständnis im KarriereLoft-Coaching ist anders. Wir sehen Angst als einen Impuls an, der aus einem Moment entstehen kann – insofern ist er Emotionen ähnlich. Aber anders als Gefühle wie Trauer, Freude, Liebe oder Wut geht es der Angst nicht darum, sich auszuleben. Gefühle haben ein Lebensrecht: Sie müssen gelebt werden. Das ist z. B. bei Freude einfach; sie ist salonfähig und angenehm. Der Umgang z. B. mit Wut ist schwieriger und zu üben: Auch Wut will geäußert, muss jedoch gebändigt, zivilisiert werden.

Angst sehen wir als etwas anderes an. Wenn wir sie als „Impuls“ bezeichnen, dann meinen wir, dass sie ernst zu nehmen ist; sie soll aber nicht die Richtung bestimmen. Sie ist vielmehr eine Warnung, genauer: eine Aufforderung zur Entscheidung. Angst deutet oft in Richtung Flucht oder Verstecken. Das könnte aber irrig sein: Die Entscheidung über die Richtung müssen wir mit Hilfe unseres Verstandes fällen. Wenn früher der Säbelzahntiger am Lagerfeuer erschien, war zu entscheiden, ob man floh, sich versteckte oder versuchte, ihn mit einem glühenden Holzscheit zu bekämpfen – und das möglichst vernünftig.

 

Furcht, eine Haltung

 

Während Angst, so gesehen, etwas Momentanes ist (das allerdings mitunter zurückkehrt), ist Furcht etwas Dauerhaftes. Furcht nistet sich ein und bleibt über längere Zeit. Furcht ist insofern eher eine Haltung – und ein Nachbar von Sorgen. „Sorgen macht man sich“, heißt es: Auch sie müssen nicht unberechtigt sein; doch häufig gleichen sie außer Kontrolle geratenen Ängsten oder Befürchtungen. Auch Furcht kann gute Gründe haben: Wer 1933 Furcht verspürte, lag vermutlich tragisch richtig. Die Antwort „Fürchte dich nicht!“, hat in Extremsituationen vielleicht nur noch eine religiöse Dimension – die hier kein Gegenstand ist. Oft jedoch lässt auch Furcht sich auflösen.

 

In Wirtschaft und öffentlichem Leben


Ein souveräner, d. h. wirklich selbstbestimmter Umgang mit Angst und Furcht bedarf der Übung. Es muss darüber Klarheit herrschen; und es müssen Zeit und Raum dafür gegeben werden. Das ist ein Auftrag an Wirtschaft und Politik, an die Gestaltung öffentlichen Lebens – und ein Ruf in Familien und Partnerschaften hinein. Ein bedachter Umgang mit Angst und Furcht führt zu mehr Freiheit und Ruhe, einem fröhlicheren Leben und einem Mehr an Gesundheit.

 

Das Management in Wirtschaft und öffentlichem Leben täte gut daran, sich schrittweise darin zu üben – und auch den Mitarbeitenden Zeit zu geben, Gesundheit und Freiheit derart auszuprägen: zum Wohle aller. Das setzt nichts anderes voraus als ein wenig Mut und Verstand.

 

Hermann A. Richter